1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei facebook Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bei twitter
Steffi Unsleber

Identität führt zu Identifizierung

Homosexuelle gewinnen an Identität, sagt Dr. Klaus Müller in seinem Vortrag auf dem ersten LSBTI*-Wissenschaftskongress. Aber dadurch liefern sie auch Material zur Identifizierung - ein Dilemma.

Die Welt ist polarisiert in LSBTI*-freundliche und -feindliche Länder, sagt Müller. In Uganda komme es vor, dass Portraits von Homosexuellen von Facebook heruntergeladen und anschließend in der Zeitung veröffentlicht werden. Wenn Homosexuelle sich zusammenschließen, schaffen sie eine Subkultur, eine sehr definierte Minderheit, die arabische und afrikanische Staaten kontrollieren wollen.

Das Dilemma, von dem Müller spricht, hat eine Geschichte: Ende des 19. Jahrhunderts begann der moderne Diskurs über Homosexualität, sagt Dr. Klaus Müller, mit wissenschaftlichen Begriffen wie „Fetischismus“ und „Sadomasochismus“, die die öffentliche Debatte bestimmten. Pathologen erklärten Homosexuellen, wer sie waren und warum.

Allerdings, sagt Müller, war nicht das 19. Jahrhundert das dunkle Zeitalter, sondern es bereitete es vor. Im 20. Jahrhundert warteten Elektroschocks, Kastrationen, Konzentrationslager auf Homosexuelle. Dadurch, sagt Müller, dass Anfang des 20. Jahrhunderts ein homosexuelles Kollektiv entstand, wurde eine spätere Verfolgung erst möglich.

Bemerkenswert sei, sagt er, dass die erste homosexuelle Bewegung in Deutschland entstand, die Homosexuellen im Deutschland der Nazizeit aber auch am schärfsten verfolgt wurden. Die rosa Winkel wurden zu einem weltweiten Symbol.

Heute ist die Situation anders. Mussten damals Homosexuelle noch mit hohem Aufwand - etwa in Form von Verhören - aufgespürt werden, könnte ein totalitärer Staat heute Aktivistengruppen viel einfacher identifizieren. Über soziale Netzwerke zum Beispiel. Würde ein Staat dies wollen, könnte er mit relativ geringem Aufwand ganze Netzwerke aufspüren und verhaften. „Das ist“, sagt Müller, „eine Gefahr, die wir so noch nicht durchdacht haben.“

Als er sich kürzlich mit einer russischen Aktivistin unterhalten hatte, fragte er sie, was man von Deutschland aus tun könne, um LSBTI*-Gruppen zu helfen. Sie sagte, Fundraising sei eine gute Idee, denn Gerichtsprozesse seien teuer. Aber sie sagte auch: „Make your homework, the case is not finished.“ Mach deine Hausaufgaben, auch im Westen sei noch viel zu tun. Von einer LSBTI*-freundlichen Politik im Westen erhofft sie sich einen Spill-Over-Effekt auf Länder wie Russland.

Vorurteilen müsse man juristische Fakten entgegenstellen, sagt Müller. Zum Beispiel durch eine juristische Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Paare.


Dr. Klaus Müller arbeitet als Berater für verschiedene kulturelle Institutionen, zum Beispiel das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) in Washington DC. Im Juni 2013 initiierte er die Salzburg Global Session zu LSBTI*-Themen und Menschenrechten.