1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

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Hans-H. Kotte

„Lipstick-Lesben und Alpha-Homos“

Zum Einstieg in die Debatte über Medienbilder wurde ein TV-Beitrag von 1965 gezeigt: Ein Bericht über Strichjungen am Berliner Bahnhof Zoo, in dem von „asozialen Elementen“ die Rede ist, um die sich die Kriminalpolizei zu kümmern habe. Der Schwarz-Weiß-Film zeigte deutlich, was sich verändert, ja verbessert hat in den vergangenen 50 Jahren. Klischees und blinde Flecke allerdings gibt es in den Medien immer noch. Und das nicht zu knapp.

Sabine Arnolds vom Lesben-Internetportal „Phenomenelle“ wies darauf hin, dass Lesben in der Presse kaum vorkommen und so gut wie nie in TV-Talkshows eingeladen werden. Zum Thema Homosexualität würden eigentlich nur Schwule ins Studio gesetzt. Lesben seien dann „mitgemeint“. Dabei sei es so wichtig, „dass Lesben sichtbar werden“.

„Weisse schwule Männer“ dominierten in den Medien, kritisierte auch Freddy Schindler von der Grünen Jugend Bayern. Sein Thema ist Biphobie, die Unsichtbarkeit von Bisexualität und Stereotype gegenüber Bisexuellen. Oftmals werde die Existenz von Bisexualität geleugnet oder nur „als Phase, als Variante“ beschrieben, so Schindler.

Der Journalist Elmar Kraushaar ging auf zwei Wendepunkte bei der medialen Darstellung von schwulen Männern ein. Waren Schwule in den Medien einstmals nur „kriminell, krank oder tot“, habe die Aids-Krise fundamental den Blick verändert: die Szene wurde nun intensiv betrachtet, rückte in den Fokus, die Betrachtung wurde differenzierter. Womit freilich Vorurteile nicht verschwunden seien - etwa Zuschreibungen als „Opfer“ oder „Täter“ im Zusammenhang mit HIV. Als nächste Wende beschrieb Kraushaar die Debatte um die sogenannte Homo-Ehe: Nun begann sich fast ausschließlich das Bild vom Schwulen als Paar durchzusetzen. „Das ist etwas Vertrautes, etwas, das weniger angstbesetzt ist“, so Kraushaar. Allerdings blende diese Sichtweise aus, „dass dies nur eine von vielen Lebensweisen“ in der schwul-lesbischen Community sei.

Prof. Dr. Claudia Bruns von der Humboldt-Universität verwies auf zwei historische Aspekte, die für die Sichtweisen der Medien und die „Identitätszuschreibung“ bestimmend gewesen seien: Die Politisierung und Skandalisierung der männlichen Homosexualität - etwa in der Eulenburg-Affäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als es um den Kaiser und seinen Beraterkreis ging. Frauen wiederum sei lange Zeit eine Sexualität überhaupt abgesprochen worden, was nicht ohne Folgen für die Betrachtung lesbischer Liebe geblieben sei.

Der Wissenschaftsjournalist Axel Bach, der auch beim Bund Lesbischer und schwuler JournalistInnen (BLSJ) engagiert ist, konstatierte einen besonders großen „Lernbedarf“ bei Journalist_innen, wenn es um die Themen Inter* und Trans* gehe. Doch auch was Lesben und Schwule angehe, gebe es weiter Unsicherheit und Uninformiertheit bei den Kolleg_innen der Mainstream-Medien. Bach wies in diesem Zusammenhang auf die BLSJ-Broschüre „Schöner Schreiben über Lesben und Schwule“ hin, die sich mit einem Glossar und Praxisbeispielen an Kolleg_innen richtet.

Das Podium war sich mit den Diskutant_innen aus dem Publikum einig, das von den Medien zu oft Protagonist_innen ausgewählt würden, die „Stereotype aus Fleisch und Blut“ und „unterkomplex“ seien. Da tauchten dann die immergleichen „Lipstick-Lesben“ und „Alpha-Homos“, also gutsituierte Oberschichtsschwule, auf.