1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

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Enrico Ippolito

Post-Aids ist Pre-Aids.

Vor Beginn hat er noch schnell seinen Vortrag umbenannt. Statt „Butch Turn: Schwule Männlichkeitsentwürfe nach Aids“ also „Bärtige Männer nackt auf Matratzenlager“. Peter Rehberg, Professor im Department of Germanic Studies an der University of Texas in Austin, widmet sich in seinem Vortrag den Konstrukten von Männlichkeit und Maskulinität.

Nach dem Aufkommen von Aids in westlichen Großstädten in den 1980ern kam es laut Rehberg zu einer Neuauflage des schwulen Männlichkeitsparadigmas, das im Mittelpunkt seines Vortrags steht. Rehberg geht es dabei weniger um die Darstellung von AIDS, sondern um die Auswirkung für die Repräsentation von Schwulen in den 1980ern. Aids habe eine neue schwule Körperpolitik eingeleitet. Der Körper soll Gesundheit, Unversehrtheit suggerieren. Vor allem in der Pornoindustrie der 1990er Jahre ist diese Phänomen sichtbar – muskulöse unbehaarte Körper sind die Norm. Rehberg nennt das „Gesundheits- und Sportsex“. Durch Formen der sexuellen Fitness, die sich unter anderem in Ausdauer manifestieren können, soll die Sterblichkeit verdrängt werden.

Anhand des Fanzines „Butt Magazine“ zeigt Peter Rehberg wie diese ästhetische 1990er-Repräsentanz ersetzt wurde. Statt Körperkult gehe es jetzt eben um Naturalismus, um das Bemühen und Suggerieren einer „Authentizität“. Haarige Rücken, Bauchansätze und eben der Vollbart gehören dazu. „Butt“ bricht also mit dem pornografischen Monopol und zeigt eine neue schwule Indie-Ästhetik, die sich dem „Clone“-Look (T-Shirt, Jeans, Bart etc.) aus den 1970er Jahren annähert. Laut Peter Rehberg wird somit die Post-Aids-Ära wieder zur Pre-Aids-Ära.