1. LSBTI*-WISSENSCHAFTSKONGRESS

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Enrico Ippolito

Aus Stein etwas Neues errichten

Die Trümmerfrauen waren das zentrale positive Bild in der Nachkriegszeit. Sie galten als Versprechen des Wiederaufbaus. Kirsten Plötz, Historikerin, erforscht seit längerer Zeit lesbisches Leben. Und fragt: „Wo blieb die Bewegung lesbischer Trümmerfrauen“?

Die Nachkriegszeit, also Deutschland im Jahre 1945, war ein Land der Frauen. Es gab einen „Frauenüberschuss“. Frauen bildeten eine Bevölkerungsmehrheit von mehreren Millionen. In einer Zeit in der es an allem mangelte, sorgten demnach gerade die Frauen für das Überleben der Familie. Die Trümmerfrauen bauten aus dem Schutt Stein für Stein etwas Neues.

Plötz beantwortet ihre Ausgangsfrage relativ schnell. „Es gab keine sozialen Bewegung bei lesbischen Frauen“, sagt sie. Doch viele Frauen engagierten sich in Frauenausschüssen für eine „friedliche Gesellschaft“. Denn nach der Katastrophe des nationalsozialistischen Männerstaats und Krieges brauche die Politik nun die Frauen.

Durch den Frauenüberschuss lebten ungezählte Frauenpaare und Frauenfamilien unbehelligt zusammen. Insgesamt war die Toleranz gegenüber unterschiedlichen Familienformen, Ehescheidungen, lediger Mutterschaft oder Abtreibungen vergleichsweise hoch. Wozu also eine soziale Bewegung mit Identitätszuschreibung?

Trotzdem blieben Männer als vermeintliche Ernährer privilegiert – vor allem in Westdeutschland. Die Frauen, die Ernährerinnen waren, wurden stattdessen diskriminiert. Ähnliches galt für den Wohnungsmarkt. Sexualität zwischen Frauen war nicht verboten, doch sie mussten über ihre Beziehung schweigen. Plötz erzählt plastisch an Fallbeispielen, wie zum Beispiel der Begriff „alte Jungfer“ negativ konnotiert war.

Die Historikerin begann ihren Vortrag mit einer Frage und endet auch mit einer. „Wie viel lesbische Energie gab es bei politischen Entscheidungen?“ Denn Frauen seien schließlich ja auch im DGB aktiv gewesen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, und auch in der SPD, als es um das Grundgesetz ging. Die Frauen kämpften auch darum, den Schutz der Frauenfamilie im Grundgesetz zu verankern. Viele Details sind noch ungeklärt. Hier besteht nach wie vor noch Forschungsbedarf, sagt Kirsten Plötz.